Jo im Talk mit Volker Westermann

Volker Westermann ist ein deutscher Fernsehmoderator, Journalist, Kochbuchautor, Inklusions-Lobbyist und der erste Inklusiv-Koch Deutschlands. Er wurde mit einer seltenen Knochenfehlbildung geboren und beschäftigt sich seit seiner Kindheit mit der Kochkunst. Nach der Schule durchlief er diverse Praktika und arbeitete u.a. in der Kochshow „alfredissimo“ von Alfred Biolek und später in der Produktionsfirma „MME“ in Hamburg. Er lebt mit seiner Ehefrau Iris in der Nähe von Heidelberg. Im Interview spricht er über den von ihm erfundenen Begriff „Inclutainment“, über Inklusion, seine Kochshow „dinner for everyone“, sein Kochbuch „Verrückt nach HERD“ und seiner Liebe zum Kochen.

Herr Westermann, Sie sind vielen Lesern aus der ersten inklusiven TV-Kochshowdinner for everyone“ und als der erste Inklusiv-Koch Deutschlands bekannt. Bitte stellen Sie sich dem Leser kurz vor.

Mein Name ist Volker Westermann. Ich bin knapp 47 Jahre alt und interessiere mich seit meiner Kindheit für gutes Essen, gute Lebensmittel und natürlich auch für die Rezepte dazu.  Das hat mich dazu gebracht, dass ich schon als kleiner Junge gerne gekocht habe und auch das Thema Filmen war für mich schon in früher Kindheit faszinierend. Zu Karneval habe ich mich als Bäcker oder als Koch verkleidet. Die Affinität zu gutem Essen besteht seit Jahren und gipfelte darin, dass ich bei Alfred Biolek als Assistent ein Praktikum bei der Sendung „alfredissimo“ machen konnte. Auf diese Weise wurde die Leidenschaft noch manifestiert.

Was versteht man unter Inclutainment?

Der Begriff „Inclutainment“ ist die englische Zusammensetzung aus „Inklusion“ und „Entertainment“. „Inclutainment-Media e.V.“  ist ein gemeinnütziger Verein, der Menschen mit Behinderung, die einen medialen Beruf erlernen wollen, die Möglichkeit bietet, Praktika zu absolvieren und sie in Projekten mit einzubinden. Wir produzieren mit inklusiven Teams Fernseh-, YouTube-Beiträge oder Webseiten. Also alles, was das Thema Medien umreißt, übernimmt „Inclutainment-Media e.V.“.  Die Idee dahinter ist einfach zu verstehen. Wenn bisher in den Medien über Inklusion berichtet wurde, handelte es sich oft um „Schicksalsgeschichten“ oder Reportagen über „Superhelden“, die im Sport alle Medaillen abräumen. Der Entertainment-Sektor im Bereich der Inklusion ist hingegen immer noch nicht vertreten. Das möchte „Inclutainment-Media“ ändern.

Haben Sie den Begriff „Inclutainment“ erfunden?

Ja, das ist richtig. Er ist auch geschützt.

Sie sind innovativ und nutzen moderne Technik, wie z. B. den YouTube Chanel. Erklären Sie dem Leser, wie er ihre Koch-Events verfolgen kann?

Dank der fortschreitenden Technik gewinnt Live-Streaming zunehmend an Bedeutung. Derzeit nutzen wir bekannte Streamingplattformen live bei Facebook und YouTube. Während dieser Ausstrahlung drehen wir allerdings die Sendung auch mit großen Kameras und sind dadurch auch in der Lage, dem Zuschauer auch geschnittene Versionen anzubieten. Wir planen in den nächsten Wochen ein „Live-Mitkoch-Event“, bei dem wir vorweg eine Zutatenliste veröffentlichen, mit denen wir quasi interaktiv gemeinsam mit den Zuschauern in der Sendung kochen. Besonders interessant ist es für die Zuschauer, ihre Fragen direkt an uns zu stellen, so als wären sie im Kochkurs anwesend, obwohl sie mich lediglich über YouTube oder Facebook am Bildschirm sehen.

Sie sind eigentlich kein Koch, woher kommt Ihre Beziehung zum Medienberuf. Erzählen Sie uns davon?

Begonnen habe ich eigentlich als Journalist und gar nicht als Koch, insofern ist die journalistische Leidenschaft immer noch vorhanden. So habe ich in der Vergangenheit für „Kabel 1“ und „3sat“ größere Porträts über Menschen mit Behinderung oder „Reise-Dokos“ gedreht. Das ist also mein ursprünglicher Beruf. Darüber hinaus bin ich auch „Cutter“. Ich kann also meine Beiträge auch selbst schneiden, was uns auch bei den verschiedenen Formaten zugutekommt. Jede Produktion, die wir betreuen, landet bei mir auf dem Schneidetisch. Insofern hat sich diese Kombination als sehr gut und richtig erwiesen.
Darüber hinaus bietet „Inclutainment-Media e.V.“ auch Möglichkeiten, Image-Filme zu produzieren, dabei legen wir besonderen Wert auf Kunden aus dem sozialen Bereich. In solchen Fällen sind wir in der Lage, gegen eine Spende an den Verein als Dienstleister solche Produkte zu schaffen und diese auch zu präsentieren.

Sie haben schon in der Jugend Ihre Frau Iris kennen und lieben gelernt, die ebenfalls eine Behinderung hat. Wo hat es „gefunkt“?

Meine Frau Iris und ich haben beide Glasknochen. Wir haben uns im Verein „Deutsche Gesellschaft für Osteogenesis imperfecta (Glasknochen) Betroffene e.V.“ kennengelernt, als wir zehn oder zwölf Jahre alt waren und haben uns jedes Jahr einige Male gesehen. Irgendwann kamen wir miteinander ins Gespräch und haben festgestellt, dass wir leider relativ weit auseinander wohnen. Iris in Nordrhein-Westfalen und ich in der Nähe von Heidelberg. Dennoch haben wir es hinbekommen, uns gegenseitig zu besuchen und daraus hat sich unsere Beziehung entwickelt, die jetzt seit 25 Jahren anhält.

Gibt es Orte, die Ihnen bis heute versperrt sind?

Eigentlich gar nicht. Nun gut. Ski fahren ist ein bisschen schwierig aber dazu haben wir auch keine Affinität. Wir waren aber auch trotz Glasknochen schon mit einem Speedboot auf den Malediven unterwegs oder sind auf dem Mekong Fluss mit einem Holzboot herumgefahren. Es gibt verschiedenen Dinge, die man in seinem Leben gemacht hat, wo mancher vielleicht behauptet, das passe jetzt nicht unbedingt zu Leuten mit Glasknochen.

Sie haben im Fernsehen mit Alfred Biolek zusammengearbeitet. Hat Sie diese Zeit geprägt?

Auf jeden Fall sehr. Die gesamte Arbeit und auch die Freundschaft zu Alfred Biolek hat mich ganz extrem geprägt. Er war mein großes Vorbild und ich habe ihm immer nacheifern wollen. Diese Kombination mit Prominenten, die beim Kochen noch Talken und das ein oder andere Geheimnis von sich verraten, hat mich immer gereizt. Ich denke seine Sendung war ein charmanter Weg, um mit Leuten ins Gespräch zu kommen. Irgendwann als wir unsere Sendung „dinner for everyone“ ersonnen haben, haben wir gesagt, das ist eigentlich das richtige Format, um mit Menschen mit Behinderung und mit Prominenten zu kochen. Insofern hat mich sowohl die Arbeit von Biolek als auch die Grundidee, von dem was ich später gemacht habe, sehr geprägt.

Sie sind auch Kochbuchautor. Erzählen Sie den Lesern von Ihren Büchern.

Bisher ist es ein Buch, dass erschienen ist. Es heißt „Verrückt nach HERD“. Es ist das erste barrierefreie Kochbuch in Deutschland. Es ist in einfacher Sprache geschrieben. Dabei haben wir darauf geachtet, dass Fachbegriffe erklärt werden. Es ist reich bebildert, mit Kochkursen, einer Website, zusätzlichen Broschüren für Menschen mit Lernbehinderung in einfacher Sprache, sowie einer Hörfassung für Menschen mit einer Sehbehinderung. „Verrückt nach HERD“ ist eine interaktive Plattform für ein Miteinander ohne Barrieren. Die Rezepte aus dem Buch sind leicht nachzukochen.

Wo kann man das Buch erwerben?

Das Buch kann ganz normal in jeder Buchhandlung für 9,90 Euro oder natürlich auch im Internet bestellt werden. Es ist auch über unsere WEB-Seite www.verrueckt-nach-herd.de zu beziehen. Dann kommt der Erlös auch in voller Höhe unserem Verein zugute.

Was bedeutet Inklusion im Beruf und bei der Arbeit für Sie?

Inklusion und Beruf war quasi der Ansatz, den wir mit der Gründung von „Inclutainment-Media“ voranbringen wollten. Als Journalist habe ich schnell festgestellt, dass man in Redaktionen nicht so frei arbeiten konnte, wie man es gerne gemacht hätte. Man war halt ein Exot. Mir war und ist es sehr wichtig, dass Menschen mit Behinderungen, die sich für Medien interessieren die Möglichkeit bekommen, Praktika dort zu absolvieren. Mir ist auch daran gelegen, dass Redaktionen auf diese Weise mehr Mut bekommen, dadurch vielleicht einmal ein anderes Format zu entwickeln, dass sich endlich von diesen „Sozial- oder Lotteriemagazinen“ abhebt. Wo man eben nicht immer das glückliche Kind mit Downsyndrom auf der Kindergartenschaukel oder beim Ponyreiten sieht. Das klingt natürlich jetzt zynisch, aber es geht darum, dass eine solch einseitige Berichterstattung aufhört. Inklusion im Beruf ist so zu verstehen, dass man den Menschen anerkennt und gerade auch im journalistischen Bereich Menschen mit Behinderung den Zugang zum Journalismus erleichtert und Vorurteile abbaut.
Bei „Inclutainment-Media“ arbeiten behinderte und nicht behinderte Kollegen eng zusammen. Da sagen wir nicht, macht ihr Behinderten euren Kram und ihr Kameraleute euer Zeug, sondern wir sind sehr bestrebt, dass immer ein homogenes Gemisch vorhanden ist.

Was macht Ihnen am meisten Spaß, was am wenigsten?

Am meisten macht mir die Vorbesprechung und der Dreh Spaß. Ich mag es, mit den Gästen am Herd zu sitzen oder zu stehen, tolle Gespräche zu führen und anschließend lecker zu essen. Die Tonmischung macht mir allerdings überhaupt keinen Spaß. Als Cutter ist es eben leider auch meine Aufgabe die Tonmischung anzufertigen und dies ist manchmal eine richtige Strafarbeit.

War Ihr Beruf seit jeher Ihre Leidenschaft oder gab es auch noch andere Berufswünsche?

Es war schon immer mein Wunsch, eine journalistische Tätigkeit auszuüben, zumal meine Eltern im weitesten Sinne auch in diesem Metier arbeiten. Meine Mutter schreibt zum Beispiel sehr viele Artikel für Magazine und hat bisher zwei Bücher veröffentlicht. Dass es bei mir dabei auch noch zum Kochen kam, habe ich Alfred Biolek zu verdanken.

Was bringt positive Energie in Ihr Leben?

Ein toller Freundeskreis, meine Frau, meine Familie, mein Hund, schönes Wetter und meine Sauna.

Haben Sie für unsere Leser eine Anekdote aus Ihrer Zeit als Fernsehkoch parat? Irgendwas, das Ihnen bis heute in Erinnerung geblieben ist oder über das Sie noch heute lachen können?

Ich habe eine schöne Anekdote mit Lilo Wanders in Erinnerung, als sie sich vor der Sendung auf der Behindertentoilette umziehen sollte und anschließend zwei Stunden das Rolliklo blockierte.

Was sind Ihre Pläne für die Zukunft?

Auf jeden Fall „Inclutainment Media e.V.“ in der Öffentlichkeit noch präsenter vertreten, indem den Menschen erklärt und vermittelt wird, was der Verein macht und worauf er ausgerichtet ist. Natürlich wollen wir auch vielen Menschen die Gelegenheit geben, beim Schnitt oder beim Drehen ein Praktikum zu machen. Ich wünsche mir, dass sich viele für unser Kochbuch „Verrückt nach HERD“ interessieren und würde gerne das YouTube-Projekt mit den Live-Koch-Events ausweiten. Darüber hinaus wären auch noch das Eine oder Andere Buch- oder Onlineprojekt zu realisieren.

Welche Werte sind Ihnen wichtig?

Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit, Fairness, Verständnis und Augenhöhe.

Welche drei Dinge müssen mit auf die Insel?

Mein Smartphone, auch wenn es nur für Hörbücher ist, einen Gaskocher und ein Küchenmesser.

Würden Sie dem Leser noch Ihr Lieblingsgericht verraten?

Mein Lieblingsgericht ist eigentlich Pasta mit Pesto. Auch wenn das sehr einfach ist. Es erinnert an unsere Studienzeit und die Jugend.

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