Jo im Talk mit Sternekoch Björn Freitag

Herr Freitag, Sie waren nach Ihrer Ausbildung viele Jahre an verschiedenen Stationen in Deutschland als Koch tätig und übernahmen nach dem Tod Ihres Vaters mit erst 23 Jahren das Restaurant Ihrer Eltern in Dorsten. Was war das für ein Gefühl, wieder in Ihre Heimatstadt zurückzukehren?

Zu Beginn war ich zunächst etwas traurig, da ich in Deutschland viel herumgekommen bin. Ich war ja noch jung und so freute es mich natürlich, meine Freunde wieder um mich zu haben. Ich denke, es war letztendlich auch der entscheidende Grund, weshalb ich mich richtig wohl gefühlt habe. Auch bedingt durch die vielen Sendungen, habe ich sehr schöne Ecken im Ruhrgebiet kennengelernt, die sehr erlebenswert sind. Als junger Mensch zieht es einen vielleicht in die Großstadt, ans Meer oder an einen See und man möchte dort für immer sein Leben verbringen. Ich bin aber froh hier leben zu dürfen und habe mich auch sehr gut akklimatisiert.

Schon nach fünf Jahren wurde das Restaurant „Goldener Anker“ unter Ihrer Leitung mit einem Michelin Stern ausgezeichnet. Erzählen Sie dem Leser von dieser Zeit.

Es war schon bombastisch. Zu diesem Zeitpunkt waren nur ein Kochlehrling und eine Spülfrau an meiner Seite. Außerdem hatte ich nur die alte Küche meiner Mutter zur Verfügung. Man könnte sagen, es war eine bessere Haushaltsküche, in der ich kochte. Für mich war es damals schon eine kleine Sensation, dieses Ziel zu erreichen, zumal es unverhofft kam und man sich gar nicht darauf eingestellt hatte und auch gar nicht darauf hinauswollte.

Ist es richtig, dass Sie damals der jüngste Sternkoch in Deutschland waren?

Es stimmt. Zu dieser Zeit war ich der jüngste Sternekoch. Das Alter ist dabei aber keine Auszeichnung, weil es sich bis heute zigmal relativiert hat, und die ausgezeichneten Köche immer jünger wurden. Es war für mich zu diesem Zeitpunkt in keinster Weise entscheidend. Ich denke, das Alter ist kein Maßstab dafür, wie gut man kochen kann. Entscheidend hierbei ist, dass man viel Leidenschaft und Herzblut mit einbringt.

Wie funktioniert Sterneküche überhaupt?

Bei der Sterneküche achtet der Restaurantführer „Michelin“, auf gleichbleibende Qualität und Frische der Zutaten sowie auf eine fachgerechte Zubereitung und Harmonie der geschmacklichen Verbindungen. Dabei sind eine ständige Weiterentwicklung, Kreativität, Innovation und Einzigartigkeit der Gerichte gefragt. Man könnte es mit der Kunst vergleichen, bei der ein Künstler eine eigene Linie verfolgt. Natürlich ist auch ein entsprechender Rahmen entscheidend, der dem Gast geboten wird.

Hatten Sie nie den Gedanken, lieber einen anderen Beruf ergriffen zu haben?

Doch, das hatte ich. Ursprünglich wollte ich gerne in die Hotelbranche oder das Hotelmanagement, weil dieser Bereich mich immer interessiert und magisch angezogen hat. Aber durch den plötzlichen Tod meines Vaters habe ich mich doch entschieden Koch zu bleiben und das Restaurant zu übernehmen.

Im März wollten Sie in Düsseldorf das neue Restaurant „Kö 59“ eröffnen. Hat alles so geklappt, wie Sie sich es vorgestellt haben?

Es war tatsächlich für März geplant. Allerdings hat uns das Corona-Virus einen Strich durch die Rechnung gemacht und das Restaurant wird wahrscheinlich Ende August oder Anfang September öffnen.

Wird man dort auch die aus dem „Goldenen Anker“ gewohnte Sterneküche vorfinden oder gibt es ein neues Konzept?

Bei diesem Konzept machen wir eben keine Sterneküche. Es gibt so viele Menschen, die meine Fernsehsendungen verfolgen, in denen ich keine Sterneküche mache, sondern eher die rheinische oder westfälische Küche mit vielen regionalen Zutaten zubereite. Wir werden es so umsetzen, dass es richtig lecker aber nicht so aufwendig wird, wie es in der Sterneküche der Fall ist.

Wie ist es Ihnen während der Corona-Pandemie ergangen?

Ich habe mich während dieser Zeit auf das wesentliche konzentriert. Dabei bin ich viel mit dem Hund oder dem Fahrrad unterwegs gewesen. Natürlich habe ich jederzeit gehofft, dass es bald weitergeht. Dabei habe ich mich tatsächlich sehr entschleunigt und auch darüber nachgedacht, dass es auch noch andere Dinge im Leben gibt, als ständige Steigerungen und dem Streben nach „Mehr“. Abgesehen von den finanziellen Schäden hat mir diese Zeit mental sehr gutgetan.

Wie sehen Sie die Entwicklung in der Gastronomie nach Corona?

Ich sehe die Entwicklung zunächst einmal kritisch. Ich kann meines nicht mit anderen Restaurants vergleichen, da wir ein kleines Restaurant sind. Wir haben jetzt nur zehn Sitzplätze weniger zur Verfügung. Es gibt aber Gaststätten, die deutlich enger bestuhlt sind und durch gesetzliche Vorgaben über wesentlich weniger Kapazitäten verfügen und dadurch viel mehr leiden müssen. Deshalb kann ich es auch nicht wirklich abschätzen, wo die Reise hingeht. Im Moment hört man relativ viel Positives. In der Eventbranche sieht es allerdings anders aus. Viele sind bereits in die Insolvenz geschlittert. Ich könnte mir auch vorstellen, dass noch viel Negatives folgt und mancher diese Situation geschäftlich nicht überleben wird. Hinzu kommt, dass die Gäste in der deutschen Gastronomie nicht bereit sind, mehr Geld auszugeben, wie es beispielsweise die Gäste in Frankreich praktizieren. Entsprechend niedrig sind dann hier die Preise und es könnte für viele Gastronomen finanziell sehr eng werden.

Wann haben Sie Ihre Leidenschaft zum Kochen entdeckt?

Diese Leidenschaft habe ich ganz klar von meiner Mutter in die Wiege gelegt bekommen. Bei uns gab es früher jeden Mittag warmes Essen. Sie hat hervorragend gekocht und es gab jeden Sonntag einen leckeren Braten. Ich habe auch oft bei Freunden und Bekannten gegessen. Aber ich kam recht früh zu der Erkenntnis, dass meine Mutter die beste Köchin war. Diese Tatsache hat offensichtlich in mir die Leidenschaft zum Kochen geweckt. Gerade die einfachen Gerichte und der natürliche Geschmack der Produkte haben mich schon immer begeistert und inspiriert.

Was ist eigentlich Ihr Lieblingsessen?

Mein Lieblingsessen sind wirklich Kohlrouladen. Aber nicht aus Weißkohl, sondern aus Wirsing zubereitet. Dabei muss der Wirsing ganz scharf angebraten werden, damit er schön braun ist. Ein leckeres Sößchen und Kartoffeln dazu. Was will man mehr.

Kochen Sie auch privat Sterneküche oder gibt es auch schon einmal deftige Hausmannskost oder Fast Food?

Wir kochen privat ganz bodenständig. Es gibt mindestens zwei Mal in der Woche ein italienisches Pasta-Gericht. Wenn es einmal ganz schnell gehen muss, gehen wir auch schon einmal zum Dönermann und essen einen Döner. In dieser Sache sind wir ganz unkompliziert. Hin und wieder wird auch gegrillt. Dann wird aber nur qualitativ hochwertiges Fleisch verwendet. Bei mir landet mit Sicherheit nicht ein billiges Nackenkotelette oder ein Würstchen für 50 Cent auf dem Rost. Ich kaufe dann schon gute Sachen ein.               

Wie sieht der Alltag heute für Sie aus? Was macht Ihnen am meisten Spaß? Was am wenigsten und wie darf man sich einen typischen Tag vorstellen?

Der Alltag sieht zu 60 Prozent so aus, dass ich morgens um acht Uhr aus dem Haus gehe und meine Fernsehdreharbeiten mache. Wenn ich dann gegen 17 Uhr nach Hause komme, gehe ich durch das Restaurant und überzeuge mich davon, dass alles in Ordnung ist. An meinem freien Tag spiele ich gerne Golf. Das ist wirklich eine Leidenschaft. Was mir weniger Spaß macht sind Dinge, wie Rezepte unter Zeitdruck schreiben zu müssen, weil mir Abgabetermine im Nacken sitzen.

Sie haben sich in den Medien als Sternekoch einen Namen gemacht. Wie ist es dazu gekommen?

Es ist schwer zu sagen. Es hat jedenfalls nichts mit dem Stern zu tun, sondern man hat sich irgendwann bei verschiedenen Formaten durchgesetzt. Natürlich haben die Sender die Quoten im Auge. Hier habe ich immer gute Werte erzielt.
Offensichtlich war ich nicht untalentiert und es passte einfach alles zusammen. Allerdings könnte ich jetzt niemandem den Rat geben, der unbedingt ins Fernsehen möchte, dies erzwingen zu wollen. Es muss einfach passen und man sollte mit der Kamera harmonieren.

Wie wird man Mannschaftskoch bei Schalke 04?

Man könnte sagen, dass dies eine Überschneidung von Zufällen war, denn einige Ko-Trainer des Vereins wohnten seinerzeit in Dorsten. Ich wurde gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, Mannschaftskoch für den Verein zu werden und das interessierte mich als Schalke-Fan natürlich. Ich habe mich sehr über diese Anfrage gefreut und zugesagt.

Gibt es vereinsinterne Vorgaben, was Sie den Spielern servieren?

Ja natürlich. Wir erhalten vom Verein oder von beauftragten Ernährungsberatern Vorgaben zum Speiseplan. Es verhält sich dabei ähnlich wie in der Sterneküche, dass keine Convenience, also vorgefertigte Lebensmittel, sondern wirklich nur natürliche Erzeugnisse und Bioprodukte verwendet werden. Wir bieten den Spielern ein bodenständiges Essen, das reichhaltig, vielseitig und abwechslungsreich an Salaten und Hauptgerichten ist. Ich würde behaupten, es ist schon sehr sportleroptimiert.

Kochen Sie regelmäßig für die Mannschaft?

Ja, wir kochen fünf bis sechs Mal in der Woche für die Mannschaft. Dazu habe ich ein eigenes Team für Schalke und wir kochen mittags oder abends für die Spieler.

Sie sind auch Kochbuchautor. Erzählen Sie den Lesern von Ihren Büchern.


Meine Kochbücher sind meist sendungsbegleitend. Ich denke, es macht auch Sinn, Rezepte, die man in der Sendung gesehen hat, zuhause in Ruhe nach zu kochen. Die Bücher sind sehr serviceorientiert und enthalten beispielsweise Tipps zu Lebensmitteln oder dem richtigen Einkauf. Es ist schon gut, wenn man diese Dinge noch einmal schwarz auf weiß vor sich hat. Natürlich gibt es einige Menschen, die sich die Rezepte lieber aus dem Internet herunterladen. Ich finde es aber gerade bei Kochbüchern sehr schön, wenn man etwas in der Hand hält.

Wo kann man diese Bücher erwerben?

Die Kochbücher sind ganz normal im Buchhandel oder im Internet erhältlich. Man kann auch gerne zu mir ins Restaurant kommen und dort ein Buch mit einer persönlichen Widmung erwerben. Auf Wunsch schicken wir auch signierte Bücher zu.

Sie sind seit vielen Jahren in verschiedenen Formaten in den Medien vertreten. Erzählen Sie dem Leser davon. Ist das zusätzlicher Stress oder macht es Ihnen Spaß?

Wenn es Stress wäre, hätte ich die zurückliegenden 15 Jahre nicht überlebt. Eine solche Tätigkeit sollte Spaß machen. Ich arbeite mit den Teams schon jahrelang zusammen und es haben sich Freundschaften gebildet. Ich freue mich jeden Tag, wenn ich das Haus verlasse, und wieder neue Dinge entdecken darf.

Was bringt positive Energie in Ihr Leben?

Meine Familie, unser Hund und mein Team, mit dem ich sehr gerne zusammenarbeite.

Haben Sie noch Zeit für Hobbys und wie verbringen Sie Ihre Freizeit?

In meiner Freizeit spiele ich gerne Golf. Mein Kalender ist voll mit Terminen und meine Frau kämpft sozusagen darum, dass ich mir öfter eine Auszeit nehme. Diese nutzen wir dann zum Reisen und genießen diese gemeinsame Zeit.

Welche Werte sind Ihnen wichtig?

Wir sind weltoffen, stehen für gutes Essen, für gesunde Ernährung und für Gastfreundlichkeit.

Was sind Ihre Pläne für die Zukunft?

In dieser Beziehung bin ich eher gelassen und halte gerne die Dinge zusammen, die man bereits erarbeitet hat. Mein Traum wäre vielleicht noch, in Kooperation mit dem InterConti in China ein Restaurantprojekt mit guter deutscher Küche zu initiieren. Ich finde es nämlich schlimm, dass die deutsche Küche im Ausland häufig als „Leberkäs-Küche mit Sauerkraut“ dargestellt wird. Es muss aber auch kein Riesenprojekt oder eine Kette werden, da bin ich schon eher bescheiden und realistisch. Ich hätte schon Spaß daran, wenn unsere gute regionale deutsche Küche auch einmal in China stattfinden würde.

Welche drei Dinge müssen mit auf die Insel?

Meine Familie, dass heißt meine liebe Frau und die Hunde, Kartoffeln und ein gutes Olivenöl.

 

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