Jo im Talk mit dem Notfallseelsorger Andreas Bodenbenner

In mancher Todesanzeige liest man „Plötzlich und unerwartet …“ Hinter dieser Formulierung verbirgt sich oft ein schwerer Schicksalsschlag für betroffene Angehörige. Jemand ist zu Hause plötzlich verstorben - ein schwerer Verkehrsunfall, bei dem jemand zu Tode kam - ein verzweifelter Mensch hat sich das Leben genommen oder ein Kind ist auf unerklärliche Weise gestorben. In solchen Ausnahmesituationen stehen Notfallseelsorgerinnen und Notfallseelsorger den Betroffenen zur Seite.

Notfallseelsorge ist psychosoziale und seelsorgerische Krisenintervention, die in der Regel von Kirchen, sozialen Trägern und Stiftungen gestellt werden. Diese Notfallseelsorge ist für Menschen da, die sich in einer Ausnahmesituation befinden. Für Menschen, die jetzt und gleich Hilfe benötigen.

 

Andreas, wir kennen uns schon sehr viele Jahre. Du bist Sozialpädagoge, Gemeindereferent und Organisator der Notfallseelsorge im Landkreis Viersen in Nordrhein-Westfalen. Bitte stelle Dich dem Leser kurz vor.

Ich bin ein Mensch, der Bewegung liebt. Sowohl körperlich als auch geistig. Ich bin sportlich aktiv, indem ich Rad fahre, wandere oder jogge. Dies gehört zu meiner Lebenshaltung, weil ich meinen Körper fit halte und es mir hilft, abzuschalten und geistig rege zu bleiben. Oft kommen mir beim Sport gute Ideen. Ich bin aufgrund meines Glaubens ein positiv denkender, lustiger und zuversichtlicher Mensch, der versucht mit Anderen hoffnungsvoll zu leben. Zurzeit lebe ich alleine und habe zwei Kinder, die in Aachen nach ihrem Studium ihrem Beruf nachgehen.

Beschreibe Deine Tätigkeitsfelder in der Gemeinde.

Die GdG Kempen-Tönisvorst ist ein Zusammenschluss der Pfarren St. Cornelius, St. Tönis; St. Godehard, Vorst; St. Hubertus, St. Hubert und St. Mariae Geburt Kempen.
In der Gemeinde Kempen nehme ich örtliche und überörtliche Aufgaben wahr. In Kempen mache ich regelmäßig Kommunionkatechese, das heißt Kinder, Eltern und Familien auf die Kommunion vorzubereiten. Dabei ist es mir ein Anliegen, die gesamte Familie anzusprechen, denn wenn man heutzutage Glauben vermitteln möchte, ist es schon wichtig, die gesamte Familie mit ins Boot zu nehmen und nicht nur die Kinder. Außerdem übernehme ich in der Gemeinde den Beerdigungsdienst. Das heißt, ich beerdige verstorbene Menschen und begleite die Familien. Darüber hinaus begleite ich die Gremien, bin im Gemeindevorstand tätig und es macht auch Freude, immer wieder Neues zu entwickeln und stückweise in der Verantwortung für die Gesamtgemeinde zu sein. In der GdG bin ich auch in der Begleitung des Rates. Dabei ist meine Aufgabe, die Zusammenarbeit inhaltlich und strukturell zwischen den Gemeinden zu fördern, Angebote zu begleiten und auf den Weg zu bringen.

Du bist Organisator der Notfallseelsorge im Kreis Viersen. Was hat Dich dazu gebracht, Dich in der Notfallseelsorge zu engagieren?

Ich erinnere mich noch gut an den Satz eines Kollegen, der auch als Diakon tätig war. Dieser lautete: „Für mich ist die Notfallseelsorge Kirche pur“. Diese Aussage hat mich sehr beeindruckt und letztendlich auch dazu bewogen dort einzusteigen, weil ich denke, dass wir als Kirche gut daran tun, dort zu sein, wo Menschen uns brauchen. Dies ist der Fall bei plötzlichen Todesfällen. Eine Situation, bei der Hinterbliebenen beigestanden wird. Einfach da zu sein und durch seine Anwesenheit dem Gegenüber mit seinem Glauben und seiner Hoffnung ein Stück Halt zu geben. Ich habe bemerkt, dass mir diese Arbeit am Menschen liegt. Ich denke ich bin emphatisch, habe ein Gespür für diese Menschen in Trauer und Notsituationen und kann auch gut zuhören.

Was genau macht man als Notfallseelsorger?

Mit Stichworten beschrieben wäre es: „Einfach nur da sein“, „den Schmerz und die Trauer mit aushalten“, „zuhören“ und „Informationen geben, was geschehen ist“. Ein ganz wichtiger Faktor bei dieser Arbeit ist, den Betroffenen das Gefühl zu geben, dass jemand ihm beisteht, der anwesend ist und ihn begleitet und die gegenwärtige Situation mit ihm gemeinsam erträgt und aushält. Mit ihm zu sprechen oder gemeinsam zu schweigen. Die Notfallseelsorge ist auch eine wichtige Schnittstelle zu den Rettungskräften, den Notärzten und der Polizei. Man hat oft mit Situationen zu tun, die sich unübersichtlich darstellen. Mir fällt immer wieder auf, dass Angehörige im Nachgang feststellen, dass sie überhaupt nicht mitbekommen haben, was passiert ist. Sie stellen dann dem Notfallseelsorger diese Fragen und dann ist es gut, wenn man Dinge und Abläufe erklären kann, die im Vorfeld gelaufen sind. Ein klassisches Beispiel ist es, wenn ein Angehöriger zu Hause verstorben ist und der Notarzt keinen natürlichen Tod bescheinigt, weil er einfach die Krankengeschichte dieses Menschen nicht kannte. In diesen Fällen wird die Polizei hinzugerufen und ein Todesermittlungsverfahren wird eingeleitet. Die Beamten erklären den Angehörigen in diesen Situationen natürlich den Verlauf des Verfahrens. Oft sind die Polizisten noch nicht ganz zur Türe heraus, dann kommen die gleichen Fragen und der Seelsorger kann noch einmal alles in Ruhe erklären. Dies ist natürlich auf die extreme Stresssituation oder den Schock zurückzuführen, weil die Menschen sich in einer Ausnahmesituation befinden und oftmals nicht in der Lage sind, alles zu verstehen oder aufzunehmen.

Wie muss man sich den Moment des Schocks vorstellen?

Es handelt sich oft um die Folge einer extrem psychischen Belastung, für die die Betroffenen in diesem Moment keine geeignete Bewältigungsstrategie besitzen. Sie wirken erstarrt und benebelt und äußern immer wieder, dass sie zum Beispiel den Tod des Angehörigen nicht wahrhaben wollen oder akzeptieren können. Daraus resultieren Aussagen wie: „Der lebt doch noch. Er war doch vorhin noch hier“. Ich habe auch festgestellt, dass bei Todesbenachrichtigungen durch die Polizei oft das Bedürfnis der Angehörigen besteht, den verstorbenen Menschen zu sehen oder ihn anzufassen. Sie sind verzweifelt, weil es sich um plötzliche Todesfälle handelt und sie können sich in diesem Augenblick nicht vorstellen, wie das Leben alleine, ohne den geliebten Angehörigen weitergehen soll. Auch haben sie das Gefühl, ihnen würde der Boden unter den Füßen weggezogen oder sie fielen in ein Loch.

Du arbeitest mit der Polizei und der Feuerwehr sehr eng zusammen. Dennoch ist die Notfallseelsorge in der Öffentlichkeit nicht so präsent. Woran liegt das?

Das kann ich so nicht bestätigen, denn in den vergangenen Jahren ist die Notfallseelsorge wesentlich präsenter geworden. Mittlerweile wissen viele Menschen, dass es im Kreis Viersen die Notfallseelsorge gibt. Alleine durch die Tatsache, dass in der Presse immer wieder davon berichtet wird, dass bei schweren Unfällen, Schadens- oder Kriminalfällen die Notfallseelsorge vor Ort war, um Geschädigte zu betreuen. Man merkt also eindeutig, dass viele Menschen mit dem Begriff der Notfallseelsorge etwas anfangen können. Man muss mit dem, was die Notfallseelsorger in ihren Begegnungen und Gesprächen erfahren und tun respektvoll und vertrauensvoll umgehen, denn es geht hier um persönliche, intime und private Dinge von in Not geratenen Menschen, mit denen man nicht hausieren geht.


Wie viele Notfallseelsorger gibt es im Kreis Viersen und wie kann man sie erreichen?

Die Notfallseelsorge Viersen besteht aktuell aus 44 Nofallseelsorgern und Notfallseelsorgerinnen. Mehr als die Hälfte machen diese Arbeit ehrenamtlich. Über die Leitstelle der Feuerwehr des Kreises Viersen wird sie alarmiert und auch über diesen Weg zur Einsatzstelle geleitet.


Wie können Menschen Notfallseelsorger werden?

Es gibt erfreulicherweise immer wieder Anfragen von Frauen und Männern, die sich für die Arbeit der Notfallseelsorge interessieren. Eine Grundvoraussetzung dabei ist, sich in den Dienst am Menschen zu stellen und ehrenamtliche Arbeit zu leisten. Es findet eine einjährige Ausbildung mit ungefähr 160 Unterrichtseinheiten statt. Es werden darin verschiedene Themen bearbeitet. Am Anfang steht die Selbstreflektion, in der beleuchtet wird, inwiefern die eigenen Erfahrungen Grundlage für die Arbeit in der Notfallseelsorge darstellen und wie der eigene Umgang mit Sterben und Tod erlebt wird. Ein wichtiger Aspekt ist auch, welche spirituellen Fähigkeiten der Bewerber mit in die Arbeit als Notfallseelsorger mitbringt.

 

Was glaubst Du ist Deine Berufung im Leben?

Ich sehe meine Berufung darin, für Menschen da zu sein, die in Notsituationen geraten sind, und schätze meine Tätigkeit als Notfallseelsorger als wertvolle Arbeit ein.


Nimmst Du Dir bei all dem Stress schon einmal eine Auszeit? Und wie sieht diese aus?

Wie ich eingangs schon erwähnte, bin ich sportlich sehr aktiv. Ich denke, es ist wichtig, seine Freizeit gut und organisiert zu gestalten. So mache ich Fahrradtouren, gehe mit Freunden auf Bergwanderungen und nehme auch an Exerzitien teil.

Was bringt positive Energie in Dein Leben?
 
Meine Familie und mein Freundeskreis bringen mir positive Energie. Das ist mir sehr wichtig. Ich habe viele Menschen, mit denen ich auch sehr vertraulich reden kann. Meine Kinder sind mein Lebenselixier. Auch das Zusammensein, Gespräche und Unternehmungen mit ihnen bringen mir viel Freude und somit positive Energie.

Welche Werte sind für Dich wichtig?

Ein Grundwert meines Lebens ist der Glaube. Liebe und Verständnis zu haben, hilfsbereit und verlässlich zu sein.

 

Verrätst Du dem Leser Dein Lieblingsgericht?

 

Klar mache ich das. Immer wenn es ziemlich stressig war und ich wieder zur Ruhe komme, koche ich mir gerne mein Lieblingsgericht. Das sind Lammfilets mit frischem jungen Gemüse.

Was sind die drei Dinge, die mit auf die Insel müssen?

Ich denke, ich würde meine Familie, mein Fahrrad und meine Joggingklamotten mitnehmen.

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