Jo im Talk mit dem Bildhauer und Musiker Peter Rübsam

Peter Rübsam wurde 1941 geboren und absolvierte zunächst ein Steinmetzpraktikum. Nach seinem Studium an der staatlichen Kunstakademie Düsseldorf bei Professor Manfred Sieler begann er neben seinem künstlerischen Schaffen eine Nebentätigkeit als Musikpädagoge an der Jugendmusikschule Kempen und Kunsterzieher am Lessing Gymnasium Düsseldorf. Er hatte Studien- und Arbeitsaufenthalte in Pietrasanta/Italien, Antwerpen und schuf unter anderem das Gründgens-Denkmal für die Stadt Düsseldorf. Darüber hinaus hatte er Gastprofessuren an der Hochschule für Bildende Künste Hamburg und der Kunstakademie Karlsruhe. Im Interview gibt er Einblick in sein Leben und spricht über seine Liebe zur Musik und der Bildhauerei. Außerdem redet er über seine größten Projekte, seine künstlerischen Bekanntschaften und über seine Ziele in der näheren Zukunft.

 

Erzählen Sie uns ein paar Worte zu dem Musiker und Bildhauer Peter Rübsam.

Ich habe mein Leben lang als Bildhauer gearbeitet und auch Musik gemacht. Den Bezug zur Musik fand ich aber noch vor der Bildhauerei. Zunächst möchte ich Ihnen kurz meinen Lebensweg schildern. Ich wurde 1941 in Nümbrecht geboren und lebte später mit meinen Eltern in Hinsbeck am Niederrhein. Mein Vater bemerkte recht früh mein künstlerisches Talent. So ergab es sich, dass ich nach der Schule ein Steinmetzpraktikum bei Erich Moog in der Eifel machte. Anschließend habe ich ein Jahr bei dem Holzbildhauer Jojo Sievers in Düsseldorf gearbeitet, bevor ich mein Studium an der Kunstakademie in Düsseldorf bei Professor Manfred Sieler absolvierte. Seit 1965 arbeite ich als freischaffender Bildhauer und Musiker.

Wie und wann haben Sie Ihre Liebe zur Kunst entdeckt?

Ich war schon als Kind immer im Atelier meines Vaters und er stellte relativ früh meine Begabung und meinen Spaß an der künstlerischen Tätigkeit fest. Im Alter von vier oder fünf Jahren hat er mir Ton gegeben, womit ich gerne gespielt und geknetet habe. Mit sechs Jahren habe ich meinen geliebten Hund als sitzende Figur aus Ton geformt. Natürlich hat mein Vater mir einige Dinge gezeigt und die Figur gemeinsam mit mir in Gips abgegossen. Zwei von diesen Arbeiten habe ich auch heute noch. Wenn ich in der Schule Langeweile hatte, habe ich hinten in mein Heft gezeichnet. Später habe ich auch meine Lehrer karikiert. So habe ich zum Schulabschluss diese Karikaturen in die Schülerzeitung eingestellt.

Was beeinflusst Sie bei Ihrer künstlerischen Arbeit?   

Ich denke, dabei kommen ganz verschiedene Dinge zusammen. Wenn man mit der künstlerischen Arbeit beginnt, muss man sich natürlich zunächst mit den Grundlagen beschäftigen. In meinem Studium begann es mit Aktzeichnungen und Modellierungen. Es wird einem dann bewusst, wie schwierig es ist, einen menschlichen Körper zu zeichnen. Man orientiert sich auch an den Arbeiten anderer Künstler oder schaut in die Literatur. Vielleicht orientiert man sich an Auguste Rodin oder den italienischen Klassikern, wie Michelangelo oder Leonardo da Vinci. Wenn man sich diese Werke betrachtet, bekommt man eine unglaubliche Ehrfurcht vor der Machart der einzelnen Stücke. Man fährt auch auf Ausstellungen und entdeckt später an seinen eigenen Arbeiten Dinge, die einem nicht richtig gefallen. Im Laufe der Zeit entwickelt man sich dann zu einer eigenständigen Persönlichkeit insbesondere, was die künstlerische Arbeit angeht. Das ist aber ein langsamer Prozess, bis plötzlich so eine Initialzündung stattfindet. Bei mir war es so, dass ich bei einem Krankenhausaufenthalt begann zu zeichnen. Ich habe dann das Bett und andere Patienten gezeichnet. Doch plötzlich waren für mich die Kissen wichtiger, als der Mann der darin lag. Kurz darauf dachte ich mir, dass es doch etwas Besonderes wäre, ein Kissen in Stein zu schlagen. Ich begann zu diesem Zeitpunkt, ganz weiche Objekte in ganz hartes Material, also in Stein, umzusetzen.

Können Sie sich noch daran erinnern, wann Sie mit diesen Arbeiten begonnen haben?

Ja, daran kann ich mich noch sehr gut erinnern. Zu diesem Zeitpunkt habe ich noch zu Hause in Hinsbeck gewohnt. Ich war morgens schon bei der Arbeit. Mein Vater war montagsmorgens auf dem Weg nach Düsseldorf zur Kunstakademie und fragte mich, was ich mit dem Stein vorhätte. Ich sagte ihm, dass ich ein Kissen in Stein schlagen möchte. Er schüttelte mit dem Kopf und fragte nur, was das den solle. Als er freitags wieder nach Hause kam, war das Kissen fast fertig. Neugierig kam er in das Atelier, ging um den Stein herum und betrachtete ihn aufmerksam. Dann sagte er wörtlich: „Das sieht aber ganz interessant aus.“ Das war der Zeitpunkt, als ich eine gewisse Akzeptanz meines Vaters dafür erhielt, was ich machte. Diese Machart, ganz weiche Objekte in ganz harte Materialien umzusetzen, ist ein Thema, das mich bis heute eigentlich immer begleitet hat. Ich habe natürlich auch ganz andere Sachen gemacht, wie Porträts beispielsweise. Diese Arbeiten fand ich auch ganz interessant. Dazu habe ich eine Ausstellung gemacht, auf der über 20 verschiedene Porträts gezeigt wurden. Diese wurden auch katalogisiert.
Beschreiben Sie einen Tag in Ihrem Atelier oder Werkstatt.

In der Regel stehe ich so gegen acht Uhr auf und spiele erst einmal eine Stunde Akkordeon. Das habe ich mir in den vergangenen 25 Jahren so angewöhnt. Es können aber auch andere Instrumente sein, wie das Sopransaxofon oder der Dudelsack. Anschließend gehe ich raus. Entweder gehe ich in mein Atelier und beginne dort zu arbeiten oder gehe nach draußen. Steine bearbeite ich immer an der frischen Luft. Alleine schon wegen dem Staub und dem Dreck. Heutzutage arbeitet man viel mit Presslufthammer und es bietet sich an, dies nicht im geschlossenen Raum zu tun. Wenn ich mit Holz, Ton oder Gips arbeite, bevorzuge ich mein Atelier.

Welche Themen bewegen Sie?
 
Wie ich eingangs schon erwähnte, habe ich weiche Objekte, wie Kissen oder Tücherstapel in Stein gehauen. Vielfach auch in Marmor. Als ich von der Akademie kam, habe ich die Steine bearbeitet, die ich während meiner Ausbildung in der Eifel kennengelernte. Das war Basalt, Sandstein und Tuff. Aber ich hörte immer vom Marmor, der so toll sein sollte. Ein guter Freund von mir ist ebenfalls Bildhauer in Karlsruhe. Er kannte sich in Italien gut aus und so sind wir gemeinsam dort hingefahren. Er zeigte mir die Steinbrüche in Carrara und ich fand dies alles ganz faszinierend. Es gibt mehrere Orte, wie Carrara selber oder Pietrasanta, wo ich auch einige Zeit gelebt und gearbeitet habe. Dort gab es unzählige Bildhauerateliers, und es haben nicht nur Italiener, sondern ganz viele Künstler aus aller Welt dort gearbeitet. Es waren dort Amerikaner, Franzosen, Japaner, Holländer, Südafrikaner. Es waren quasi alle Nationen dort vertreten. Im Jahr 1979 habe ich ebenfalls ein Jahr dort gearbeitet und den Marmor als Arbeitsmaterial kennengelernt und damit zu arbeiten. Natürlich habe ich mir dort auch die entsprechenden Werkzeuge gekauft, die man zu dieser Zeit hier gar nicht bekam. Das waren Presslufthämmer und besondere Meißel dazu. Heutzutage kann man die überall kaufen. Das war damals wie eine Offenbarung für mich. Ich habe mit einem Galaristen eine Vereinbarung getroffen, dass er mir ein monatliches Fixum zahlt und später in seiner Galerie meine Stücke ausstellt.

Haben Sie ein Lieblingswerk?

Das wechselt. Wie soll ich Ihnen das erklären? Wenn man eine Arbeit gerade fertig gestellt hat, sind diese Dinge noch so nah. In diesen Momenten steckt noch so viel Herzblut in den Arbeiten. Ich möchte dies jetzt nicht als Lieblingswerk beschreiben, es kommt dem Begriff aber schon nahe.

Empfinden Sie eine Traurigkeit oder eine Art Trennungsschmerz, wenn Sie ein fertiggestelltes Projekt verkaufen?

Ja, manchmal schon. Es gibt Stücke, an denen man doch sehr hängt, wenn sie fertig gestellt sind. Gehen sie dann weg, ist es immer ein merkwürdiges Gefühl.  Ich habe mich zum Teil mit der Begründung getröstet, dass die Leute sehr nett sind. Manchmal boten die Käufer auch an, dass ich jederzeit vorbei kommen und es besuchen könnte. Das macht man dann doch nicht. Ein Kunstwerk ist schließlich immer ein Stück von einem Selbst. Ich weiß es auch von vielen Kolleginnen und Kollegen, die ungern die eigenen Sachen herausgegeben haben. Auf der anderen Seite bin ich Bildhauer und möchte von meiner Arbeit leben. Schließlich ist es auch eine Anerkennung, ein Stück zu verkaufen.

Was war in Ihrer künstlerischen Laufbahn das größte Projekt?

Eine meiner größten und aufwendigsten Arbeiten war 1984 das Gustav Gründgens-Denkmal für die Stadt Düsseldorf. Es steht am Schauspielhaus in Düsseldorf. Dabei handelt es sich um einen Marmorblock, der im unbearbeiteten Zustand ungefähr 30 Tonnen schwer war und extra für mich aus dem Berg herausgeschnitten wurde.

Haben Sie den Stein hier in Düsseldorf geschlagen?

Nein, ich war ein dreiviertel Jahr in Italien und habe den Stein dort fertig gestellt. Es war ein sehr großes Projekt. Ich habe mit meiner Arbeit begonnen, mit der Flex hineinzuschneiden, habe Blöcke herausgeschlagen und gemessen. Es war schon überwältigend, denn ich musste die ersten Arbeiten sogar im Liegen bewerkstelligen. Wenn man sich vorstellt, dass man anfangs quasi vor einer Wand steht und sich überlegt, ob man den Stein überhaupt fertigbekommt. Letztendlich habe ich bis zur Fertigstellung von April bis September daran gearbeitet.

Wie haben Sie das fertige Kunstwerk nach Düsseldorf transportiert?

Zu diesem Zeitpunkt war es so, dass alles unter 25 Tonnen als Normaltransport eingestuft wurde. Höhere Gewichte waren für den Transport unglaublich teuer. Das Gesamtgewicht lag bei circa 22 Tonnen.
Was bringt die Zukunft sonst noch an neuen Projekten und Vorhaben für Sie und Ihre Kunst?
Es gibt tatsächlich ein Projekt, mit dem ich mich schon seit einiger Zeit beschäftige aber quasi immer noch in der Luft hängt. Ich habe davon sogar schon ein Modell gemacht. Später würde es etwa 2,30 Meter hoch werden. Es gibt in Düsseldorf den Heimatverein der „Düsseldorfer Jonges e.V.“. Dieser hat ein großes Mitspracherecht bei der Stadt Düsseldorf und kümmert sich auch um kulturelle Dinge. Der Verein hat mich gebeten, doch einmal einen „Köbes“ zu machen. Im Düsseldorfer und Kölner Raum werden die Kellner so genannt. Köbes kommt von Jakob und dazu gibt es auch eine Geschichte. Der Name stammt aus der Zeit der Wallfahrten zum Heiligen Jakobus nach Santiago de Campostella. Die Pilgerwege führten auch hier in Düsseldorf vorbei. Nicht alle dieser Pilger waren wohlhabend und sie waren gezwungen, sich unterwegs eine Tätigkeit zu suchen, um ihre Reisekasse aufzubessern. Wenn sie hier im Rheinland waren, gingen sie zu den Brauereien und arbeiteten dort. Die Menschen sagten dann, das sind welche, die zum Köbes gehen. Seit dieser Zeit heißen die Bierkellner hier und auch in Köln die Köbesse. Das ist keine Beleidigung, sondern es ist ein standardisiertes Fachwort geworden. Bei diesem Projekt gab es immer Problem mit dem Standort. Es sollte ursprünglich in Düsseldorf an der Bolkerstraße stehen, aber es ist immer noch keine Entscheidung getroffen worden. Ich möchte diese Figur aus Basalt schlagen, welcher aus der Eifel kommt und ein sehr harter Stein ist. Es wäre schön, wenn dazu bald eine Entscheidung getroffen würde, denn man wird ja nicht jünger. So ein Projekt ist schließlich mit schwerer körperlicher Arbeit verbunden und fordert einen großen persönlichen Einsatz.

Haben Sie hier in Düsseldorf auch interessante Bekanntschaften gemacht?

Ja, ich habe zum Beispiel Otto Waalkes und Marius Müller-Westernhagen kennengelernt. Hier am Rhein besuchte ich eines Tages eine Gaststätte und traf die beiden dort. Wir kamen irgendwie ins Gespräch und unterhielten uns über Musik. Otto hat in Hamburg an der Kunstakademie Malerei studiert und auf diese Weise gab es bei uns Parallelen in unserer Entwicklung, so dass es einen Draht gab und man sich verstand. Durch die Vermittlung von Marius und Otto bin ich später auch mit meiner Band in Hamburg aufgetreten. Es war eine schöne Zeit. Wir haben in Bars, Clubs und auf Bühnen performed. Otto gab uns die Möglichkeit, bei ihm zu übernachten, denn er hatte seinerzeit schon ein großes Haus in Hamburg erworben. Das bot uns ideale Möglichkeiten in dieser Zeit.

Wo kommen Sie zur Ruhe?

Eine gute Frage. Ich komme zur Ruhe, wenn ich Musik mache. Dabei spiele ich jeden Morgen eine Stunde auf meinem Akkordeon zur Fingerübung und abends zur Entspannung. Natürlich lese ich auch viel oder treffe mich mit Freunden. Obwohl mit steigendem Alter die Freunde auch weniger werden. Das ist eine grausame Geschichte aber der Lauf der Zeit. Meine besten Freunde aus der Kunstszene sind schon gegangen. Ich habe aber noch drei Musikfreunde, die ich regelmäßig treffe und die auch viel von der Kunst verstehen.

Wie gehen Sie eine neue Arbeit an?

Zunächst macht man sich Gedanken und beginnt diese Ideen mit Zeichnungen umzusetzen. Das sind manchmal ganz kleine Zeichnungen. Ich habe mir im Laufe der Jahre angewöhnt, immer ein Buch, einen Bleistift und einen Spitzer in der Tasche zu haben. Wenn mir eine Idee kommt, das kann quasi überall sein, zeichne ich sie in mein Buch. Außerdem habe ich einen kleinen Farbkasten in der Tasche. Der ist ganz klein und sehr teuer. Ein englisches Fabrikat. Wenn ich irgendwo sitze und etwas sehe, zeichne ich es, um diese Idee festzuhalten. Außerdem gibt es Plastilin. Das ist Knetgummi für Künstler. Daraus forme ich kleine Modelle. Anschließend entscheide ich mich, aus welchem Stein ich das Stück schlage. Das ist immer unterschiedlich.

Haben Sie ein Lieblingswerk?

Das wechselt. Wie soll ich Ihnen das erklären? Wenn man eine Arbeit gerade fertig gestellt hat, sind diese Dinge noch so nah. In diesen Momenten steckt noch so viel Herzblut in den Arbeiten. Ich möchte dies jetzt nicht als Lieblingswerk beschreiben, es kommt dem Begriff aber schon nahe.

Welche Werte sind für Sie wichtig?

Ehrlichkeit ist ein Wert, der für mich sehr wichtig ist. Das bezieht sich auch auf die Kunst.

Was bringt Sie zum Lachen?

Es gibt viele Dinge, über die man lachen kann. Ein guter Witz, Slapsticks oder Situationskomik.

Was sind die drei Dinge, die mit auf die Insel müssen?

Peter Rübsam lacht: Ich denke Hammer, Meißel und ein Musikinstrument.

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